Ein zehn Tonnen schwerer LKW, der eine Stunde lang über dem Boden schwebt – gehalten von nur einem Gramm Industrieklebstoff. Offizieller Weltrekord. Was hingegen ein winziges Bakterium zu leisten vermag, stellt alle von Menschen hergestellten Produkte weit in den Schatten. Die Mikrobe sondert eine Substanz ab, die stärker haftet als jeder Klebstoff.

Gibt es eine Steigerung von super? Superer? Am supersten? Nein, klingt alles komisch und ist auch nicht korrekt. Gäbe es jedoch einen passenden Superlativ, das Bakterium „Caulobacter crescentus“ könnte ihn für sich beanspruchen. Die Mikrobe produziert das stärkste Haftmittel überhaupt. Der von ihr erzeugte Klebstoff ist so stark, dass er ein Gewicht von rund 1,3 Tonnen an einem Ein-Cent-Stück halten könnte. Eine Leistung, mit der selbst die kräftigsten synthetischen Klebstoffe nicht mithalten.

Klein, aber oho

Der König unter den klebstoffproduzierenden Lebewesen ist so winzig, dass er nur mithilfe eines hochauflösenden Mikroskops wahrgenommen werden kann. Dort aber offenbart er dann seine wahre Größe. Gemessen an der Klebkraft des von ihm hergestellten Substrats ist der vermeintliche Zwerg ein echter Riese. Die Haftfähigkeit ist so stark, dass Forscher hierfür extra ein neues Messverfahren entwickeln mussten. Alle gängigen Verfahren reichten nicht mehr aus.

Die Haftkraft sprengt alle Grenzen

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In Bächen, Flüssen und Wasserleitungen heimisch, hält sich das Bakterium mittels eines langen Stängels, an dessen Ende eineArt Haftorgan mit klebenden Zuckermolekülen sitzt, an jedem erdenklichen Untergrund fest. Selbst bei starken Strömungen undhohen Fließgeschwindigkeiten rutscht es nicht ab. Dieses Prinzip machten sich Wissenschaftler

zunutze, um die Haftfähigkeit des Mikroben-Klebstoffes zu analysieren. Sie ließen Bakterien vom Typ „Caulobacter crescentus“ auf Glasstäbchen wachsen und saugten einzelne Zellen in ein feines Röhrchen.
Anhand der Saugkraft, die nötig war, um das Haftorgan der Mikrobe vom Glas zu trennen, konnten sie dann ablesen, wie stark deren natürlicher Klebstoff tatsächlich ist. Das Ergebnis war mehr als verblüffend: Um eine einzige Zelle von dem Glasstäbchen abzulösen, musste eine Kraft von rund einem Micronewton aufgewendet werden. Umgerechnet sind das knapp 70 Newton pro Quadratmillimeter. Das entspricht in etwa dem Druck, den
drei Autos auf eine Fläche von der Größe einer Euromünze ausüben würden. Zum Vergleich: Herkömmliche, im Handel erhältliche Klebstoffe geraten schon bei maximal 18 bis 28 Newton pro Quadratmillimeter an ihre Leistungsgrenze.

Zucker verleiht Kraft

Was macht den Bakterien-Superklebstoff so viel leistungsfähiger als alle künstlich hergestellten Haftmittel? Das Geheimnis steckt im Detail. Das Haftorgan der Mikroben ist mit einer dünnen Schicht aus Polysacchariden überzogen. Bei diesen Zuckermolekülketten handelt es sich um einen sehr starken natürlichen Klebstoff, der sogar unter Wasser haftet.

Von der Natur lernen

Kleine Mikrobe mit großer Wirkung: Das Süßwasserbakterium Caulobacter crescentus produziert den stärksten natürlichen Klebstoff, der bislang entdeckt wurde. Foto: © norman blue – Fotolia.com

Die Industrie zeigt großes Interesse an dem wetterfesten und leistungsstarken Superklebstoff. Im medizinischen Bereich könnte die Substanz zum Beispiel als biologisch abbaubarer Klebstoff für chirurgische Eingriffe genutzt werden. Auch in der Meerestechnologie und weiteren Anwendungsgebieten würde das natürliche Haftmittel gute Dienste leisten.
Bevor der Bakterien-Klebstoff in die Massenproduktion gehen kann, ist aber weitere Forschungsarbeit erforderlich. Zunächst muss erst einmal die weitgehend unbekannte chemische Zusammensetzung entschlüsselt werden. Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten noch mindestens zwei Jahrzehnte ins Land gehen bis die Herstellung des Bio-Klebstoffes beginnt.

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