Die Geschichte des Klebens
Das Kleben ist eine der ältesten und wichtigsten Kulturtechniken der Menschheit. Mit einiger Sicherheit ist davon auszugehen, dass sich unsere Vorfahren auf der ganzen Welt klebriger Hilfsmittel bedienten. Sie ermöglichten die Herstellung von Waffen und Werkzeugen und halfen den Frühmenschen sich gegen eine feindliche Umwelt durchzusetzen. Materielle Beweise sind allerdings rar, da organische Werkstoffe – wie beispielsweise Klebstoffe – den Lauf der Zeit bis auf wenige Ausnahmen nicht überstanden haben.
Der älteste von Menschen eingesetzte Kleb- und Dichtstoff war wohl tonhaltige Erde, die z.B. Höhlen und Hütten der Urzeit wohnlicher machte. Den fortschrittlicheren Jungsteinzeitmenschen fiel schon die Klebkraft von Asphalt (Erdpech), Baumharzen und Holzteer auf. So wurde in Sachsen-Anhalt Birkenpech als Klebemittel von Klingeneinsätzen bei Schäftungen (Messer, Speere) gefunden, das mindestens 115.000 Jahre alt war. In Süditalien stießen Wissenschaftler auf Birkenpech, das an einem mindestens 180.000 Jahre alten Steinwerkzeug haftete. Und auch Ötzi hatte seine Pfeile vor über 5000 Jahren mit Birkenpech gefertigt. Dieser frühe Klebstoff kommt nicht natürlich vor, sondern muss gezielt hergestellt werden.
Vor 6.000 Jahren wurden in Mesopotamien Häuser mit luftgetrockneten Lehmziegeln errichtet und Asphalt zu weiteren Bauzwecken verwendet. So berichtet der antike Geschichtsschreiber Herodot, dass die Mauern Babylons mit Erdpech geklebt wurden. Rund 1.000 Jahre später kannten die Sumerer bereits das Herstellen von Leim aus ausgekochten Tierhäuten.
Spätestens seit etwa 1500 v.Chr. entdeckten die Ägypter einen Sud aus Sehnen, Knorpel und anderen tierischen Abfällen als geeigneten Klebstoff für furnierte Schreinerarbeiten. Der so entstandene Klebstoff wurde warm aufgetragen und hat bislang 3½ Jahrtausende unbeschadet überdauert, wie eine Tafel aus dem Grab Tutanchamuns beweist. Ebenso nutzten die Ägypter Bienenwachs für handwerkliche Klebungen, indem sie es mit pulverisiertem Steinmehl vermischten und damit z.B. Metallklingen von Rasiermessern mit ihrem Stiel verbanden.
Auch die Griechen und Römer der Antike verwendeten bereits verschiedene Klebemittel. Während es in Griechenland schon den Berufsstand des Leimsieders gab und sie ihren meist eiweißhaltigen Leim „Kolla“ nannten (bzw. heute noch nennen), bezeichneten die Römer ihre aus Mehlkleister, gesäuertem Brot oder Käse-Kalk-Mischungen hergestellten Leime als „Glutinum“. Angeblich stellten die Römer rund 1.000 Jahre vor den Germanen den ersten aus Schwimmblasen gewonnenen Fischleim her.
In der nachfolgenden Zeit ist über Klebstoffe vorerst keine große Entwicklung zu verzeichnen. Neben der schlechten Wärme- und Kältebeständigkeit bildeten die damaligen Klebstoffe aufgrund ihrer Zusammensetzung auch einen idealen Nährboden für Bakterien und Pilze, wodurch sie ein Gesundheitsrisiko darstellten. Erst im Spätmittelalter bildeten sich in Europa nach und nach die ersten eigenständigen Leimsiedereien, da nach der Erfindung des Buchdrucks von Gutenberg sich die Papierverarbeitung zum Wachstumsmarkt entwickelte. Die immer zahlreicheren Bücher mussten gebunden und mit stabilen Deckeln und Rücken versehen werden.
Die klebewilligen Werkstoffe (Holz, Leder, Papier, Pappe), die Anwendungsgebiete und damit ebenso die Klebstoffe blieben aber auch dann über Jahrhunderte hinweg im Wesentlichen unverändert. Die Herstellung war eine eintönige Arbeit und so wundert es nicht, dass die Bezeichnung „Leimsieder“ lange Zeit als Schimpfwort für besonders stumpfsinnige Menschen galt.
Im Zuge der Industrialisierung erfuhr der verschmähte Berufsstand dann einen Aufschwung, der sich Hand in Hand mit der Möbel- und Tapetenindustrie vollzog. Die neuen rationellen Herstellungsmethoden ermöglichten es auch einfachen Leuten, ein komfortables Mobiliar und vornehm gestaltete Wände zu besitzen. Die erste handwerkliche Leimfabrik wurde 1690 in Holland gegründet. 1754, über 60 Jahre später, wurde in England das erste Patent auf einen Fischleim für die Tischlerei erteilt und 1789 eröffnete die erste Tapetendruckerei Deutschlands in Kassel. Aber obwohl der Mengenbedarf an Holzleimen und Kleister einen beträchtlichen sprunghaften Anstieg verzeichnete, fand zunächst keine nennenswerte Änderung an der Produktgattung statt.