Wasserdampfdiffusionsbremsende Grundierungen, umgangssprachlich und technisch falsch auch als Feuchtesperr-Grundierungen oder Feuchtesperren bezeichnet, erlauben die sichere Verlegung von Bodenbelägen und Parkett auch auf “feuchten” und damit nicht belegreifen Zementestrichen, deren Feuchtegehalt über den Feuchte-Belegreif-Richtwerten von 2,0 CM-% für unbeheizte Konstruktionen bzw. 1,8 CM-% für Heizestriche liegt. Technisch wird durch diese Grundierungen erreicht, dass beim weiteren Austrocknen des Zementestrichs sichergestellt wird, dass der Wasserdampfdiffusionsstrom aus dem Untergrund nicht zu einem Schaden im Gesamtbodenaufbau führt. 

Wasserdampfdiffusionsbremsende Grundierungen gibt es auf unterschiedlicher chemischer Rohstoffbasis (Dispersion, 1 K-Polyurethan, 1 K-Silan, 2 K-Epoxy) mit unterschiedlichen Grenzen für den Untergrundfeuchtegehalt, bis zu dem sie eingesetzt werden können (typischerweise 3 bis 6 CM-%).

Derartige Produkte werden in Deutschland seit Jahrzehnten eingesetzt und haben sich in der Praxis bewährt. Der Stand der Technik bei Einsatz von wasserdampfdiffusionsbremsenden Grundierungen auf restfeuchten Zementestrichen wird heute allein durch diese Praxiserfahrungen und die Auslobungen der Hersteller definiert. Die Hersteller gewährleisten die Funktionsfähigkeit der Produkte in den zugehörigen technischen Dokumenten und in Form von individuellen Aufbauempfehlungen.

Gelegentlich wird versucht einen Zusammenhang zwischen sD-Werten der Schichten des Fußbodenaufbaus und dessen Funktionsfähigkeit herzustellen. Diese vereinfachte Betrachtung steht allerdings im Widerspruch zur praktischen Erfahrung. Sie ist daher irreführend und nicht zulässig. Dies wird nachfolgend erläutert.

Bei der Bewertung der Wasserdampfdiffusion durch verschiedene Schichten wird zumeist als Modell der “stationäre Wassertransport im Schichtenpaket” verwendet, wie es z.B. beim Glaser-Verfahren für den Wand- oder Deckenaufbau gemacht wird. Analog der bauphysikalischen Betrachtung eines Wandaufbaus hinsichtlich der Wasserdampfdiffusion soll dabei in den einzelnen Schichten eines Bodenaufbaus der Wasserdampfpartialdruck von unten nach oben abnehmen. Dabei muss die relative Luftfeuchte in den einzelnen Schichten “sicher bleiben”, d.h. es darf weder zu einer Kondensation noch zu einer schädlichen Auffeuchtung einer Schicht (z.B. bei Holz oder anderen wasserempfindlichen Produkten) kommen.

Im o.g. Modell wird der Diffusionsstrom durch jede einzelne Schicht im Wesentlichen durch die “äquivalente Luftschichtdicke sD” bestimmt. Der sD-Wert selbst wird berechnet, er ist das Produkt aus der materialspezifischen Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl µ und der Dicke s der betrachteten Materialschicht. Reduziert man die Bewertung der Wirkung von wasserdampfdiffusionsbremsenden Grundierungen auf einen Vergleich von sD-Werten aus der Literatur für die einzelnen Schichten des Bodenaufbaus, kommt man zumindest für die Verlegung von elastischen Bodenbelägen aus PVC, EPDM-Kautschuk oder Polyurethan und ggf. auch für Parkett (incl. Versiegelung) zu dem Schluss, dass das System nicht schadensfrei funktionieren kann, da der sD-Wert der Bodenbeläge / des Parketts merklich größer sein kann als der der Grundierung. Dieser Befund steht im Widerspruch zu den praktischen Erfahrungen.

Was ist die Ursache für diese Diskrepanz?

Schon bei der Ermittlung und Bewertung der µ-Werte treten erhebliche Unsicherheiten auf:

• Die Literaturangaben von µ-Werten für verschiedene Materialien differieren.

• Der µ-Wert ist keine Konstante sondern eine Funktion der Feuchte.

• Die µ-Werte vieler Bodenbeläge sind nicht zugänglich und können nur geschätzt werden.

• In der relevanten Norm für die Bestimmung von µ-Werten gibt es unterschiedliche Versuchsdurchführungen, die zu signifikant differierenden Ergebnissen führen.

• Die Fehlermöglichkeiten bei der experimentellen Bestimmung der µ-Werte von Materialien sind erheblich.

Darüber hinaus stellt die Anwendung des “Schichtenmodels” auf die Grundierung eine unzutreffende Vereinfachung dar. Die Schichtdicke wird häufig direkt über die Auftragsmenge berechnet, selten auch gemessen. Die so ermittelte Schichtdicke ist aber in der Regel deutlich geringer als die tatsächlich wirksame Schon mit bloßem Auge kann man an einer Bruchkante eines Estrichs mit Grundierung erkennen, dass auf dem Estrich nicht nur ein mehr oder minder dünner Polymerfilm vorliegt, sondern dass Teile der Grundierung auch in die Poren des Estrichs eingedrungen sind und diese füllen. Die effektive Filmdicke kann damit auf ein Vielfaches (Faktor 2 bis 10) ansteigen und den sD-Wert entsprechend vergrößern.

Insgesamt bestimmen die folgenden Parameter, ob der Gesamtbodenaufbau auf einem bezüglich seines Feuchtezustands noch nicht belegreifen Estrichs unter Einbau einer wasserdampfdiffusionsbremsenden Grundierung schadensfrei funktioniert:

1. Die Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl (µ) der durchgehärteten Grundierung. Diese ist abhängig von der Messmethode und der Sorgfalt der Durchführung der Messung.

2. Die aufgetragene Schichtdicke (s) des Polymerfilms auf der Estrichoberfläche. Das Produkt µ x s ist der sD-Wert des augenscheinlich vorhandenen Polymerfilms auf der Estrichoberfläche.

(Dieser wird fälschlicherweise häufig allein für die Bewertung des Wasserdampfdiffusionswiderstands herangezogen.)

3. Die in der Praxis auftretende Beschaffenheit des Polymerfilms auf der Estrichoberfläche (gleichmäßige Dicke, Blasen- und Lochfreiheit).

4. Die Penetrationstiefe der flüssigen Grundierung.

Die Penetrationstiefe ist abhängig von der Porenstruktur des Estrichs und den chemischen und physikalischen Eigenschaften der Grundierung (Polarität, Viskosität, ein- oder zweikomponentig, Reaktivität, Teilchengrößenverteilung etc). Die Penetrationstiefe bestimmt die Länge des effektiven Diffusionswegs des Wasserdampfs durch das Polymer, wobei dieser ein Vielfaches der sichtbaren Schichtdicke auf der Estrichoberfläche betragen kann.

5. Die Wasserdampfdiffusionsrate ist umgekehrt proportional zur rel. Luftfeuchte im Raum, d.h. je geringer die Raumluftfeuchte, desto größer ist die Triebkraft und mithin die Menge je Zeiteinheit, mit der Wasserdampf aus dem Untergrund durch den Bodenaufbau diffundiert.

6. Der Feuchtegehalt des Estrichs reduziert sich mit der Zeit nicht nur durch die Diffusion von Wasserdampf nach oben durch den Bodenaufbau. Es findet auch eine Trocknung über die seitlichen Flanken statt, deren relative Größe von den Abmessungen der Estrichplatte abhängig ist. Daneben wird durch weiter fortschreitende chemische Wasserbindung im Estrich die Wassermenge, die durch den Bodenaufbau diffundieren wird, reduziert.

Die Bewertung der Leistungsfähigkeit von wasserdampfdiffusionsbremsenden Grundierungen darf somit nicht auf eine vergleichende Betrachtung von sD-Werten der Schichten des Bodenaufbaus reduziert werden. Die Beurteilung von Schäden an Fußbodenaufbauten anhand der realitätsfernen, groben Reduktion auf einen Parameter „sD-Wert“ stellt eine nicht sach- und fachgerechte Bewertung dar. Stattdessen sind mehrere Einflussfaktoren zu berücksichtigen, die sich nach heutigem Kenntnisstand nicht alle exakt oder rein rechnerisch erfassen lassen.

Es gibt demgegenüber umfängliche Erfahrungswerte der Hersteller von wasserdampfdiffusionsbremsenden Grundierungen, in die permanent Kenntnisse zur Produkt- und Estrichzusammensetzung einfließen. Für die Bewertung der Einsatzmöglichkeiten der wasserdampfdiffusionsbremsenden Grundierungen sind daher allein die Herstellerangaben heranzuziehen. Bei der Bewertung von Schadensfällen ist der vereinfachte Vergleich von sD-Werten der Schichten des Fußbodenaufbaus nicht sach- und fachgerecht; der Stand der Technik wird stattdessen durch die jahrzehntelange Praxiserfahrung bestimmt.

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