16 Millionen Bundesbürger kennen das Problem: Randlos-Brillen mit gebohrten Gläsern stehen unter permanenter Spannung und können durch Belastung leicht kaputt gehen. Mit spezieller Brillen-Klebtechnik wird die Bruchgefahr eliminiert und die Sehqualität erhöht.

Der Markt für Brillen ist in Deutschland zweigeteilt: Während 60 Prozent der 40 Millionen Brillenträger ein „Nasenfahrrad“ mit Vollrand tragen, bevorzugen 40 Prozent die Variante ohne Rand. „Randlos“ bedeutet, dass sich die Fassung auf die zentrale Verbindungsbrücke zwischen den Gläsern mit dem Nasenbügel, den Backen und die Bügel reduziert. Auf einen Rahmen wird komplett verzichtet.
Fassungskomponenten und Brillengläser für Randlos-Brillen werden überwiegend über Schraub- und Druckverbindungen sowie entsprechende Bohrungen in den Gläsern zusammengefügt.
Nachteil: Von den Bohrungen im Glas gehen – durch Druck, Reibung und Vibration – Spannungen sowie Mikrorisse aus, die bereits bei geringfügigen Zusatzbeanspruchungen zu Beschädigungen bis zum Bruch führen können. Derartige Probleme lassen sich mit innovativer Brillen-Klebtechnik gänzlich ausmerzen.

Kleben statt Bohren

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Nach jahrelanger Entwicklungsarbeit brachte ein deutscher Hersteller 2010 die erste geklebte Randlos-Brille auf den Markt. Sämtliche Komponenten, aus denen die Brille besteht, halten durch Klebstoffe – und sind darüber hinaus nahezu zerstörungssicher.
So wird die Sehhilfen-Innovation montiert: Zunächst werden die Gläser in einer Spannvorrichtung positioniert und zentriert. Daran schließt die lokale Abtragung der „Lotuseffekt-Glasbeschichtung“ an den Klebpositionen an. Dort wird anschließend der Befestigungsschuh aus Kunststoff – gemeint ist das Element zwischen Gestell und Glas – positioniert und der speziell entwickelte Klebstoff zudosiert. Dieser verteilt sich durch den Kapillareffekt gleichmäßig im Klebspalt. Über die gefügten Stellen werden keine schädigenden Einflüsse in das Brillenglas geleitet. Der Klebstoff wirkt als Spannungspuffer. Risse oder Glasbrüche, die aus Biege- und Schockbelastungen resultieren, lassen sich so zuverlässig verhindern.

Wenige Tropfen Klebstoff ermöglichen Qualitätssprung

Neben der erhöhten Bruchsicherheit bieten geklebte Randlos-Brillen weitere Vorteile – sowohl für Hersteller als auch für Verbraucher: Eine konventionelle Randlos-Brille mit gebohrten Gläsern besteht aus 20 Teilen und erfordert zur Montage 28 einzelne Bearbeitungsaktionen. Die geklebte Variante setzt sich hingegen aus nur 8 Komponenten zusammen und kann mit ebenso vielen teilautomatisierten Bearbeitungsvorgängen montiert werden.
Das spart Zeit und viel Arbeitsaufwand. Auch der Brillenträger selbst profitiert: Da die Gläser
nicht mehr durch Bohrungen geschwächt sind, können sie mit dünneren Wandstärken verwendet werden. Diese sind naturgemäß leichter. Aufgrund der wegfallenden bzw. reduzierten Spannung bieten die geklebten Brillen überdies eine um rund sechs Prozent bessere Sichtfeldqualität.

Infokasten „Lotuseffekt“
Der Lotus-Effekt bezeichnet eine wasserabstoßende Oberflächen-Beschichtung mit einer Mikro-Struktur, die der Blattoberfläche der Lotus-Pflanze ähnelt.

Infokasten „Kapillareffekt“
Der Kapillareffekt bezeichnet das Verhalten von Flüssigkeiten, das sie bei Kontakt mit Kapillaren – das sind beispielsweise enge Röhren, Spalten oder Hohlräume – in Feststoffen zeigen. Die Kapillarkraft lässt Flüssigkeiten in einer Kapillare gegen die Schwerkraft nach oben steigen. Beispiel: Wird ein Glasröhrchen senkrecht in Wasser getaucht, steigt das Wasser in der engen Glasröhre ein Stück nach oben.

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